Simone van der Vlugt
Tiefe Stiche

KEN. Messerangriffe gehören zu dem Schlimmsten, was einem im ernsthaften Nahkampf passieren kann. Kommissarin Lois Elzinga hat rund um das niederländische Alkmaar gleich mit mehreren Opfern von heimtückischen Messerstechereien zu tun. Autorin Simone van der Vlugt lässt unser Spannungsbedürfnis in »Tiefe Stiche« jedoch auch darüber hinaus nicht im Stich.

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Dass der Hauptverdächtige von seiner Schwester geschützt werden könnte, macht die Ermittlungsarbeit für Kommissarin Elzinga nur schwerer. Denn jemanden mit einem Messer von hinten niederzustechen, setzt ein unglaubliches Maß an Niedertracht, Brutalität und krimineller Energie voraus – oder aber einen Zustand der Verwirrung, gegen den sich noch schwerer ermitteln lässt.

Keine brauchbare Spur und kein Profil vom Täter

Zudem ist die allein erziehende Lois Elzinga ohnehin kaum bei der Sache. Einer ihrer Kollegen hat Hinweise auf ihren seit Jahren als verschollen geltenden Vater. Der ehemalige Lehrer hat sich nach dem Tod ihrer jüngsten Schwester und dem anschließenden Selbstmord der Mutter auf und davon gemacht. Zurück und in Pflegefamilien blieben Lois und ihre Schwester Tessa.

Während Lois sich beruflich Leben dann hauptsächlich um die Opfer einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft kümmert, hat sich ihre Schwester einigermaßen gut verheiratet und braucht sich um die Miete für den nächsten Monat keine Gedanken zu machen. Unterschiedlicher könnten die beiden Frauen kaum sein.

Jetzt aber hat Lois Elzinga mit einem Täter zu tun, der es zunächst nur auf Frauen abgesehen zu haben scheint. Dann wird dieses Muster durch einen Anschlag auf einen älteren Herren durchbrochen. Nun ist auch Lois Vater ein älterer Herr, und er wirkt irgendwie in die Aufklärung dieses Serienfalles hinein. Früher oder später wird die Kommissarin auch diese Fährte verfolgen müssen, selbst wenn sie für ihre Vorgesetzten dadurch voreingenommen ist und in Gefahr gerät, von Ihrem Fall abgezogen zu werden.

Lois Elzinga wird in »Tiefe Stiche« auf ihre eigene Geschichte zurückgeführt. Durch diesen »blinden Fleck« leidet ihre Intuition. Sie nimmt offensichtliche Täter kaum war, und es dürfte nur eine Frage der Zeit bis zur Meldung des nächsten Opfers sein.

Dieser Roman von Simone van der Vlugt fasziniert vor allem durch die Aufdeckung der inneren Konflikte von Lois Elzinga. Damit die Kommissarin – auch für die hoffentlich noch folgenden Romane – befreit ermitteln kann, muss sie sich den Gespenstern ihrer eigenen Vergangenheit stellen. Diesen persönlichen Konflikt entwickelt Simone van der Vlugt sehr feinfühlig. Der Roman lebt von überraschenden Wendungen und den unbewältigten Themen, denen Lois Elzinga weit stärker ausgesetzt ist, als sie es sich zunächst eingestehen mag.

»Tiefe Stiche« ist ein vielschichtiger Roman rund um Schicksale von zerstörten Familien, verlassenen und dann wieder ungeschickt aufgefangenen Kindern sowie Pflegeeltern, die möglicherweise das Beste beabsichtigten und es dann doch weit verfehlten. Eine insgesamt düstere Geschichte, die sich einem »Happy End« bestenfalls annähert. Zumindest eines hat Simone van der Vlugt dadurch erreicht: Ich will wissen, wie es jetzt mit Lois Elzinga weitergeht.