Elisabeth Haynes
Wenn es Nacht wird
KEN. Leben auf dem Hausboot bei London? Für die Vertriebsmitarbeitern und nebenberufliche Stangentänzerin Genevieve ist das ein Traum. Zudem ist sie handwerklich geschickt genug, den alten Frachtkahn »Revenge of the Tide« aufzumöbeln. Aber gleich nach der Einweihungsparty wird aus ihrem Traum ein Alptraum.
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Elizabeth Haynes verlegt ihren Thriller an einen der Seitenarme der Themse in Kent südwestlich von London. Hier hat sich eine Gruppe Stadtflüchtiger auf Hausbooten eingerichtet. Sie lieben das Leben abseits des Trubels und die Nachbarschaft auf den schwimmenden Heimen. Eine der Bewohnerinnen ist Genevieve. Sie hat sich ein Jahr Auszeit genommen, um die über 20 Meter lange »Revenge of the Tide«, die »Rache der Gezeiten«, zu einem gemütlichen Heim auszubauen.
Warum musste Caddy sterben?
Dann ist Party angesagt. Ihre Nachbarn und Kollegen aus der Hauptstadt sind eingeladen, und alle sind gekommen, bis auf Caddy. Auf die Freundin aus dem Edelclub »Barcley« hat sie sich besonders gefreut. Caddy taucht im wahren Sinn des Wortes am nächsten Morgen auf. Sie schwappt als Leiche gegen den Rumpf des Hausboots. Ihre Club-Geschichte scheint Genevieve einzuholen.
Der Psychothriller verfolgt lange Zeit zwei Stränge parallel: die Geschichte der Tänzerin in einem zwielichtigen Millieu und die Gegenwart nach dem Mord. Statt dass Polizisten sich den Mördern nähern, jagt die Vergangenheit die Gegenwart. Genevieve verliert immer mehr Gewissheiten und das Vertrauen in die Mitspieler, die sie eigentlich vor den Bedrohungen schützen sollten.
Da ist der Clubbesitzer Fitz, der sich nach Caddy auch für Genevieve interessiert, ansonsten aber »seine Mädchen« an reiche Geldsäcke aus dem kriminellen Umfeld verkauft. Der Rausschmeißer Dylan wirkt Fitz gegenüber loyal. Aber er kümmert sich auch fürsorglich vorsichtig und doch immer wieder unnahbar um Genevieve, der er rechtzeitig mit einem höheren Geldbetrag und der Bitte, ein geheimnisvolles Päckchen für ihn zu verstecken, den Ausstieg aus der Club-Szene verschafft. Dort hat sich längst auch der Chef ihres Tagesjobs in das Leben der Tänzerin eingemischt, bis Dylan dazu eine eher brutale Zwischenlösung gefunden hat.
Nach dem Mord an Caddy kommt noch der Polizist Jim dazu, mit dem Genevieve eine leidenschaftliche Affäre beginnt. Und auch in der unmittelbaren Nachbarschaft bringt sie Beziehungen aus dem Gleichgewicht. Dabei wollte die eifrige Schiffsbauerin doch immer nur eins: großartig tanzen um des Stangentanzes willen. Und mit dem, was ihr ohnehin Spaß macht, neben dem Hauptjob genügend Geld zu verdienen, damit sie sich die Auszeit für ihr schwimmendes Traumhaus leisten kann.
Es sind zwei Umfelder, die Elisabeth Haynes ihren Lesern näherbringt: die Hausboot-Szene, irgendwo angesiedelt zwischen Campingidylle und Yachthafen, und die unterschiedlichen Tanzsstile in den Nachtclubs, die von den einen als plumpes Animierspiel und von den anderen als großartige artistische Tanzkunst entwickelt werden. Haynes bricht damit eine Lanze für die Tänzerinnen in den Nachtclubs, die mehr Respekt verdienen, als sie meistens von ihrem Publikum bei den Junggesellen-Abschlüssen erhalten. Nicht alle Tänzerinnen wollen nur des Geldes wegen gevögelt werden. In diesem Sinn ist »Wenn es Nacht wird« eine Millieu-Studie, die gut recherchiert wirkt. Mindestens das. Und spannend ist sie außerdem.