Wolfgang Traub
Flügel am Kopf
KEN. Wenn man die Kreativitätslatte nur tief genug hängt, dann landet man möglicherweise bei »Flügel am Kopf« von Wolfgang Traub. Weil das Thema mich interessiert, war ich schnell genug im Titel drin und habe dabei übersehen, dass das Buch gar nicht für mich, sondern für Nicht-Kreative ist.
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Daher kamen mir die Inhalte relativ flach vor. Gut, der Einstieg ging eigentlich. Wolfgang Traub räumt damit auf, dass sich jemand überhaupt nicht kreativ findet. Man muss ja nicht gleich eine Aquarell-Klasse an der Volkshochschule leiten. Kreativ sind wir schon, wenn wir alltägliche Probleme lösen, unsere Woche in Outlook organisieren und hier und da um die Ecke denken.
Überleben ohne Giftstachel, Krallen oder Panzer
Wobei Denken allein auch nicht reicht, denn wir haben nicht nur eine »logisch« orientierte Gehirnhälfte. Es gibt auch die andere Seite, die uns intuitiv und bildhaft begleitet. Weil sie schneller arbeitet, sichert sie uns seit Jahrtausenden das Überleben in Gefahrensituationen. Hätte unsere Vorfahren damals ein Dinosaurier angeschnauft, hätte es ihnen wenig genutzt, wenn sie den Gattungsnamen, das Geschlecht, Größe, Länge und Geschwindigkeit aus dem Stand hätten aufsagen können. Damals hieß es intuitiv und kreativ zu überleben, unser vergleichsweise lahmer Logik- und Sprachkanal hätte die Wahrscheinlichkeit unserer weiteren Teilnahme am Gen-Pool drastisch verringert.
In der Regel gelingt es nicht einmal unseren Lehrern, uns diese zweite (Überlebens-) Begabung vollständig auszutreiben. Wir finden sie im beruflichen Leben nur wenig willkommen. Dort gilt als besonders sportlich, intelligent und kompetent, wenn jemand sich elegant hinter Zahlen, Daten und Fakten verstecken kann, die außer ihm selbst kein Schwein versteht.
Wirklich neue Impulse zu Kreativität hat es seit Vera F. Birkenbihl (1946 - 2011) und »ABC-Kreativ: Techniken zur kreativen Problemlösung« keine mehr gegeben. Es lohnt sich, den kleinen, schrulligen Wirbelwind der Trainerszene parallel zu Wolfgang Traub und »Flügel am Kopf« zu lesen. Vera F. entwickelte Kreativitätsmodelle aus einer persönlichen Betroffenheit heraus: Sie litt am Asperger-Syndrom, einer autistischen Erkrankung. Mit ihren Kreativitätstechniken gelang es ihr, die Welt zu sich zu holen. Und sie machte das auf einem ebenso kind- wie erwachsenengerechten Niveau und vermittelte es Menschen jeden Alters, die mit Freunde und Spaß etwas für ihre rechte Gehirnhälfte tun wollten.
Eine Lanze für Kreativität zu brechen, vermerke ich auf der Positivseite des Buchs von Wolfgang Traub. »Das Kreativitätstraining für Nicht-Kreative« war mir am Ende jedoch nicht kreativ genug. Tatsächlich bleibt es in Wahrnehmungsübungen und Anleihen aus Intelligenztests stecken-bleibt, wie sie in Assessment-Centers genutzt werden. So endet die Kreativität kreativ im Kleid der Linkshirnigkeit im Panikmodus, und das sollte selbst nach dem Kreativitätsverständnis von Wolfgang Traub wenig miteinander zu tun haben.