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Ulrich Renz - Die Tyrannei der ArbeitUlrich Renz
Die Tyrannei der Arbeit

KEN. »Dieses Buch ist keine Kritik der Arbeit. Es ist eine Kritik an der Tyrannei, zu der sie sich über unser Leben aufgeschwungen hat«, schreibt Ulrich Renz. Als wäre die Arbeit ein Wesen an sich, das sich an die ultimative Macht über uns geputscht hat. Vielleicht jedoch wählen wir uns unseren Tyrannen selbst und erziehen ihn sogar dazu, seinen schlimmen Job noch besser zu machen.

 
 

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Ulrich Renz gesteht, dass er selbst der Arbeit ihr tyrannisches Gehabe ihm gegenüber erlaubt hatte. Alles zum Segen der Karriere, bis ihm das zu wenig war. Er stieg aus aus dem stetigen Funktionieren, dem Leistungs- und Termindruck - und stürzte ohne das Sicherheitsnetz als Angestellter in eine ungewohnte Leere. Zwar hatte er jetzt Zeit, Freundschaften und Beziehungen zu pflegen und sich mit seinem eigenen Dasein auseinanderzusetzen. Aber er war anderes gewohnt. Die Freiräume schrien nach neuen Aufgaben - und forderten den Tyrannen zurück.

Der Ausstieg sollte befreien, aber dann kam alles anders

Vielleicht wirkt »Die Tyrannei der Arbeit« auch deshalb ein bisschen wie Selbsttherapie und wie eine Abrechnung mit den eigenen Entscheidungen. Arbeit heute erfüllt eben nicht (mehr) automatisch alle psychischen Bedürfnisse, selbst wenn jemandem die »Pflicht« vom Brot im Schweiße des Angesichts wertvoll ist, die Firma einen eigenen Kindergarten und Sportverein hat und man sich gemeinsam mit den Kollegen und Vorgesetzten sozial engagieren kann.

Die Trennung von Arbeit und Privat ist ein hohes Gut. Dabei verschieben sich die Grenzen immer wieder zugunsten der Arbeit, weil die materiellen Bedürfnisse im Privaten ohne regelmäßiges Einkommen kaum zu befriedigen sind. Mit immer wieder neuen Moden und neuen Kommunikationstechnologien gibt es unglaublich viele Verlockungen, denen gegenüber die meisten Menschen schlichtweg wehrlos sind.

Sogar der Schlaf gilt diesem System deshalb als »Feind«, wie Ulrich Renz sagt. Unternehmen versuchen durch Beleuchtungstricks der Müdigkeit entgegenzuwirken. Die  Arbeitnehmenden halten darüber hinaus durch, weil sie möglichst viel vom Restleben jenseits der Arbeit mitbekommen wollen. Die Tyrannei der Arbeit besteht, so finde ich nach Ulrich Renz, vor allem aus der Angst, etwas zu verpassen.

Zudem laufen selbst die »alten Hasen« immer schneller, weil jüngere Talente in niedrigeren Lohngruppen ihnen auf die Pelle rücken. Dabei toppt der formale Berugsabschluss häufig die Erfahrung und nicht zuletzt das Laute und das Schöne das Leise und Unscheinbare.

Beim »Schönen« war Ulrich Renz bereits. Ich erinnere hier an sein Buch »Schönheit - Eine Wissenschaft für sich«, von dem er sich hier inspirieren lässt: Attraktivität und Körpergröße sind klare  Wettbewerbsvorteile und oft stärkere Argumente als die wirkliche Kompetenz. Auffällig ist, dass die Lauten bei gleichen oder geringeren Qualifikationen eher vorankommen als die Stillen. Die brauchen dann andere Überlebensstrategien – nicht nur im Beruf.

Ulrich Renz schmäht die Arbeit keinesfalls. Er setzt sich dafür ein, ihr in unserem Leben einen Stellenwert zuzuschreiben, der uns zuträglich ist statt uns von uns selbst zu entfremden. Er kritisiert deshalb vor allem die »Fantasielosigkeit, die unsere Gesellschaft infiziert hat, sodass sie sich ein Leben jenseits der Arbeit gar nicht mehr ausmalen kann.«

Seit das Thema Burnout gesellschaftsfähig geworden ist, gibt es zumindest ein paar Ansätze, diese Fantasie wieder zuzulassen und das Weniger an Arbeit als das Mehr an tatsächlicher Lebensqualität anzunehmen. Das ist auch eine Frage der persönlichen Verantwortung. Wollen wir den »Helden unserer Zeit«, den »Homo guttenbergensis«? Wollen wir »Leistungsträger«, die den Erfolg um jeden Preis fordern und dabei alle Grenzen überschreiten? Wollen wir lange vor der ermogelten Promotion unsere Kinder als Supermänner und -frauen mit maximal herausstechenden genetischen Merkmalen züchten?

Ulrich Renz beleuchtet sein Thema von unterschiedlichen Seiten. Manchmal wirkt das wie der Versuch, das Übermaß an selbst zugemuteter Arbeit nachträglich zu rechtfertigen: So gibt es auch für Ulrich Renz den Erfolg gar zu oft am Leben vorbei.

Ich empfehle auch dieses seiner Bücher, weil es uns daran erinnert, immer wieder zu fragen, wieviel Leben wir gerne in der Arbeit lassen wollen und wie wir uns jenseits davon möglichst lebendig fühlen können. Vielleicht haben wir dann eher den Mut für Entscheidungen, nach denen weniger von dem einen mehr von dem anderen ermöglicht. Das Leben in der Arbeit sollte ebenso Spaß machen wie das Leben außerhalb davon.


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