Ryan David Jahn
Der Cop

KEN. Zehn Jahre lang waren drei entführte Frauen in Cleveland, USA, Opfer von netten, unauffälligen Nachbarn. Der ebenfalls unauffällige Österreicher Josef Fritz sperrte sein Opfer sogar 24 Jahre ein und zeugte mit ihm sieben Kinder. Das Opfer war seine eigene Tochter. Rund um dieses Thema geht es auch Ryan David Jahn in »Der Cop«.

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Vor gerade mal zwei Monaten, aber sieben Jahre nach ihrer Entführung aus dem Kinderzimmer, wurde Maggie offiziell für tot erklärt – samt feierlicher Beerdigung im leeren Sarg. Damit hätte Ian Hunts inzwischen von ihm geschiedene Frau dieses schreckliche Kapitel endlich abschließen können. Doch dann ruft die Totgeglaubte ihren Vater an und fleht um Hilfe.

Anruf für Ian Hunt - dabei ist seine Tochter offiziell seit Jahren tot

Ian Hunt steht als Cop vor den Trümmern seiner Karriere und Ehe. Wo es von ganz unten aus nur noch etwas zu gewinnen gibt, startet er durch, um seine Tochter zu retten. Sein eigenes Leben als Preis ist ihm gerade recht.

Auf der anderen Seite steht Henry Dean, der in einer Schule als Gebäudereiniger arbeitet. Seine Frau Beatrice hat den Tod ihrer gemeinsamen Tochter Sarah nie überwunden. In »Ersatzkindern«, die Henry entführte, findet sie Trost. Maggie zum Beispiel überlebte von den bisherigen Opfern am längsten. Sie flüchtet sich in Halluzinationen als Folge der jahrelangen Folter, die sie immer wieder ertragen muss. Aber Maggie gibt nicht auf und ergreift schließlich ihre Chance. Danach geht es für alle Beteiligten nur noch ums Überleben. 

Ryan David Jahn hat mich nach »Ein Akt der Gewalt«, seinem Debüt auf der Basis einer wahren Geschichte aus den 60er Jahren neugierig gemacht. In »Der Cop« greift er wieder ein Thema auf, das die Medien wochenlang beherrschte und skizziert die Verletzungen der Menschen, denen auf Seiten der Bösen der Wahn Stichworte zum Verbrechen gibt, während auf der Seite der Guten der Wahn die vielleicht einzige Chance ist, das Schicksal zu ertragen.

Irgendwo dazwischen gibt es eine Grauzone, in der das Beil, abgehackte Zehen und Finger als Mittel der Selbstjustiz gerade recht erscheinen. Und das tun sie in ihrer Plumpheit eben nicht, selbst wenn Ian Hunts gleichfalls psychisch verletzter Kollege und Freund die Tat deckt. Unrecht gegen erlittenes Unrecht bewirkt noch lange kein Recht. Hier ist Ryan David Jahn dann doch zu großzügig, selbst wenn die Familiensolidarität rund um Henry Dean ziemlich kranken Hirnen entsprungen sein mag.

Trotz eines Lungenschusses und mit Katheter-Beutel für den Wundfluss macht sich Ian Hunt also mit schier übermenschlichem Willen auf die Jagd. In einer verlassenen Stadt kommt es schließlich zu dem vorhersehbaren Showdown. Fast so wie in einem klassischen Western, nur eben mit Präzisionsgewehren, die auch aus 1500 Metern ins Ziel treffen.

»Ein Akt der Gewalt« überzeugte durch die psychologisch feine Darstellung der Beteiligten und wird von beiden mein bevorzugtes Buch bleiben. »Der Cop« ist grober geschnitzt und auf das Handeln ausgerichtet. Mehr oberflächliche »Action« also statt eines ausgereiften »Thrills«. Der Verzicht auf das Filigrane in »Der Cop« beschleunigt die Erzählung; eine »thrillende« Jagd quer durch die Staaten stelle ich mir trotzdem anders vor. – Ich bin gespannt, wie sich Ryan David Jahn weiterentwickeln wird.