Florian Teeg
Von Bluterguss bis Exitus
KEN. Nach »House of God« (1998) von Samuel Shem und »Über Leben und Tod« (2010) von Atul Gawande hatte ich mir immer den Alltagsbericht eines deutschen Assistenzarztes im Krankenhaus gewünscht. Denn unser und das Gesundheitssystem auf der anderen Seite des Atlantiks unterscheiden sich nun mal. Florian Teeg ist solch ein Bericht gelungen. Respekt vor der Leistung des werdenden Halbgotts in Weiß.
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Florian Teeg genießt als Assistenzarzt keinen Welpenschutz. Das passt auch kaum zu dem souveränen Auftritt seiner Oberärzte und Professoren, die mit Kostenbewusstsein und Routine glänzen. Er wird sofort ins kalte Wasser geworfen und steht mit seinem meist theoretischen Wissen plötzlich vor leibhaftigen, kranken Menschen, denen er helfen soll. Immer wieder ist er dabei auf die Stichworte der Schwestern angewiesen, die mit Mitte 20 schon mehr praktische Erfahrung haben als Florian Teeg nach abgeschlossenem Studium in seiner neuen Position.
Auf der Zielgeraden zum Dr. med.
Florian Teeg nimmt den Leser mit auf Visite. Er lässt uns daran teilhaben, wie er sich gegenüber seinen Kollegen und den Schwestern verändert, wie er sich über die Standesgrenzen, die ihm ziemlich schnurz sind, verliebt und scheitert. Mehr und mehr wird er der Arzt, der er sein soll, gewinnt an Kompetenz, weist zurück und wird schmerzhaft zurückgewiesen.
Dabei geht es immer wieder um Leben und Tod. Florian Teeg beschreibt, wie er diese Schicksale erlebt, wie sie ihm teilweise nahegehen und wie er andere rein professionell betrachtet. Schon bald verliert er einen Patienten mit einem seltenen Krebs der Bauchdecke. Er verzweifelt nahezu an einer schwergewichtigen Patientin mit diabetischem Fuß, die unbelehrbar in ihrem Spezialbett ausschließlich an die nächste Mahlzeit denkt. Es scheint ihr sogar gleichgültig zu sein, dass Florian Teeg ihr versehentlich einen längst abgestorbenen Zeh abbricht und das dies nur der Beginn einer Reihe von Amputationen für sie sein wird.
Dafür freut Florian Teeg sich, dass er eine andere Frau nicht wieder erkennt, weil sie in wenigen Monaten 50 Kilo abgenommen hat und das Leben neu genießt. Oder dass er mit Unterstützung des Reanimationsteams einem lüsternen älteren Herrn das Leben rettet, der schon über zwölf Minuten klinisch tot ist und der dann doch über sich und sein Verhalten nachzudenken beginnt.
Es gibt viel, was mir an diesem Buch gefällt. Ohne Humor lässt sich dieser Beruf wohl kaum ertragen, und manche Ereignisse bieten sich einfach dafür an, dass wir vor allem die Situationskomik wahrnehmen. Trotzdem, finde ich, bleibt Florian Teeg in seinen Beschreibungen seriös. Er teilt aus und steckt ein. Und er ist auch bei den medizinischen Erläuterungen verständlicher als so mancher Arzt am Krankenbett, der dafür kaum Zeit hat. So konnte ich Florian Teeg auch ohne Medizinstudium folgen und habe nebenher etwas über Diabetes, Herzinfarkt, Tumorerkrankungen und die Notfallmedizin gelernt.
Den Stress auf der Station hatte ich nach den Nachrichten zu überlasteten Ärzte in deutschen Krankenhäuern vorausgesetzt. Als Assistenzarzt ist Florian Teeg meistens noch im positiven Stress. Noch ist er fasziniert von den Möglichkeiten, die sich ihm bieten, sein Wissen anzuwenden und zu erweitern. Danach - nun als »Dr. med.« - hat er immerhin die Zeit, ein großartiges Buch zu schreiben, das uns seinen Beruf näherbringt.