Georg Korf
Die andere Seite der Welt
KEN. Ob im Internet oder im Buch selbst, wo immer der Name Georg Korf auftaucht, ist die Ernte dürftig. Schon das ist geheimnisvoll. In "Die andere Seite der Welt", dem einzigen Roman, den Korf offiziell geschrieben hat, kann sich der Leser auf ein ziemlich geschlossenes Weltbild gefasst machen. Dass der Held Jules Vernes auf dem Mond begegnet, hätte allerdings nicht sein müssen ...
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Alles Fiktion oder was? Der Einstieg ist zeitgemäß, also der Zeit rund um den Ersten Weltkrieg gemäß. Die Leute reden geschwollen und grammatikalisch unerträglich korrekt: mit viel "Herr ...", "Verehrte ...", "Hätten Sie freundlicherweise die Güte ..." und "Mein Lieber ...". Wie auf kratzigen Tonspuren ebenso zerkratzter Schwarzweiß-Filme. Oder als würden sie sich die Unterhose mit der Kneifzange anziehen. Fein, fein ist alles.
Einer der geheimnisvollsten esoterischen Romane
Da es TV und Video noch nicht gibt, nehmen Anwälte, Ärzte und Geschäftsleute an spiritistischen Zirkeln teil und schauen eben auf diese Weise fern. Mystisch, okkult - und upper-class. Nicht so wie die Gruftie-Szene auf den Friedhöfen bei uns. Begriffe wie Astralleib, Ätherleib, Geisteswelt und Hypnose sind in dieser geheimnisvollen Szene üblich. Tische werden gerückt, und Medien reden gefragt oder ungefragt in seltsamen Zungen. Manches fühlt sich arg nach Rudolf Steiner an, wäre es nicht um einiges verständlicher. Goethe wird immer wieder zitiert. Und Jesus als der eigentliche Meister und die Bibel sowieso.
Patentanwalt Clarus, über jeden Zweifel an seiner Seriösität erhaben, bekommt also Besuch von einem seltsamen Mann. Clarus lässt sich danach auf ein spiritistisches Experiment ein, bei dem der Kaufmann Fritz Gutenberg in einen Scheintod geführt wird und 15 Stunden lang das Universum bereist. Sein Begleiter ist Atlamos, eine Erscheinung aus der anderen Welt, weiser Lehrer, Begleiter und Deuter all dessen, was den Erdbewohnern entgeht oder möglicherweise noch bevorstehen wird.
Atlamos führt "Friedo" Gutenberg nicht nur in das Leiden von Labortieren ein, sondern auch in die Zeit zwischen Leben und Tod, beziehungsweise Leben und einer anderen Art von Dasein. Gutenberg lernt die letzten Gedanken von Mördern, Selbstmördern und deren Opfern kennen, besucht den Mars und das Innere des Monds. Wo Menschenaugen gar nichts sehen, verdichten sich die Energien der dortigen Bewohner so, dass auch Gutenberg in seiner neuen Form mit ihnen kommunizieren kann. Die beiden Reisenden treffen Jules Verne auf dem Erdtrabanten und schweben später hochgradig verdichtet zwischen den Atomen eines Diamanten. Auf den ersten Blick scheint physikalisch gesehen alles korrekt.
Gutenberg kommt am Ende wieder in seinem Körper an. Gerade noch rechtzeitig, denn Patentanwalt Clarus und die Spiritisten beginnen sich Gedanken zu machen, wie sie seine Leiche am besten entsorgen. Mit dem außerirdischen Wissen nun auch im Diesseits gesegnet, beginnt Gutenberg seine Mission und verkündet dem Rest der Welt deren andere Seite.
Den Stil des Romans habe ich Nachgeborener und Heutiger als "altbacken" erlebt. Das geht mir inzwischen auch bei Karl May so. So redet niemand mehr, es sei denn, er hat das Ende der k.-u.-k.-Doppelmonarchie verpasst und zu wenig Feuerzangen-Bowle getrunken. Ziehe ich das jedoch ab, dann schildert "Die andere Seite der Welt" sehr interessante Erfahrungen. Einmal Lesen reicht nicht. Und auch dann bleibt die Frage von oben: Alles Fiktion oder was?
"Die andere Seite der Welt" soll seinerzeit ein ziemlicher Erfolg gewesen sein. Im Nachwort heißt es: "Wenn auf dem Umschlag nicht 'Roman' stünde, dann wäre das Buch die größte Offenbarung aller Zeiten". Der Verfasser streitet vehement ab, der "Kolumbus des Jenseits" zu sein. Er sei nicht einmal befähigt, eine Fantasie-Dichtung zu schreiben, "die mit einer solch suggestiven Kraft wirkt, wie es dieses Buch vermag." Stattdessen habe er Erfahrungen zahlreicher Menschenalter und Entwicklungsabschnitte der Welt, wie sie deutschen Mystikern und Geistesforschern zugänglich seien, in eine Geschichte eingebettet. Das wäre dann sein eigentlicher Beitrag als Dichter und Schriftsteller.
Von Korf gibt es kein Todesdatum. Er gilt als verschollen im Zweiten Weltkrieg.