Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff
Lügen mit Zahlen
KEN. Dieses Jahr ist Wahljahr, jedenfalls in manchen Bundesländern. Wie immer. Und wieder wird uns Jörg Schönenborn in der ARD gleich nach Schließen der Wahllokale um 18 Uhr ziemlich präzise sagen können, wie die Ergebnisse lauten. Verblüffend? Wer das Buch von Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff gelesen hat, der weiß, wie es geht.
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Nach „Lügen mit Zahlen - Wie wir mit Statistiken manipuliert werden" ist nichts mehr wie vorher. Endlich wissen wir, warum just der Vatikanstaat die höchste Kriminalitätsrate hat, die Riester-Rente auf Langfristprognosen aufbaut und wir hinterher weniger haben als vorher. Wir lernen, warum Bevölkerungsprognosen niemals stimmen werden und wie durch eine geschickte Bearbeitung von ach so übersichtlichen Excel-Grafiken Stimmung gemacht wird. Ebenso wie durch ausgewählte Befragungsgruppen oder das einfache Weglassen von Jahrgängen oder Beschriftungen in Vergleichsdaten.
Zahlen lügen nicht - oder etwa doch?
Sagen wir so: Die beiden Autoren helfen auf eine wirklich lesbare Art die Manipulation mit Statistiken zu durchschauen. Jedenfalls besser als vorher - oder manchmal zum ersten Mal überhaupt. Zahlen und Statistiken wirken vertrauenswürdig, Grafiken ebenfalls. So kann ein Minister punkten, wenn er 1.000 neue Lehrerstellen verkündet, aber gleichzeitig verschweigt, dass es 7.000 Schulen im Land gibt und zeitgleich mit der Einstellung der neuen auch 2.000 bisherige Lehrer entlassen oder in Rente gegangen wurden.
Mit Zahlen Lügen ist einfach. Zumal die meisten von uns noch vom Matheunterricht in der Mittelstufe traumatisiert sind und am besten gleich den Kritikerlöffel abgeben, wenn eine Statistik schön aufbereitet daher kommt. Wer genau hinschaut - und das tun Bosbach/Korff -, merkt schnell, dass es eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen nie wirklich gegeben hat und die Versprechen der privaten Altersvorsorge vor allem eines sind, nämlich blumig. Und wir fallen darauf herein wie die Biene bei der Aussicht auf Nektar am Morgen. Am leichtesten ist bei alldem noch nachzuvollziehen, dass ein einziger Millionär, der in die Nachbarschaft zieht, das durchschnittliche Einkommen der Gemeinschaft sofort aus der Bedürftigkeitszone herauskatapultiert. Grafiken und Statistiken können alles und jederzeit das Gegenteil davon beweisen.
Und was hat das mit Jörg Schönenborn zu tun? Das Politbarometer, das er regelmäßig für die öffentlich-rechtlichen Sender moderiert, beruht auf einer relativ kleinen Anzahl Befragter, die für Infratest/dimap eine Prognose ihrer persönlichen Meinung geben: „Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Wahltag wäre ...?" Schönenborn präsentiert das wirklich klar und sympathisch.
Jeder richtige Wahltag ist nun für die Meinungsforscher „Großkampftag" und das Fernsehen die optimale Werbeplattform für die Positionierung im Wettbewerb um spätere Verbraucherumfragen und Telefonaktionen der meinungsforschenden Institute. Folglich werden - sozusagen direkt am Ausgang der Wahllokale - gleich 100.000 Leute gefragt: „Was haben Sie gerade gewählt?" Die Trefferquote ist somit ungleich höher als zur Sonntagsfrage, und die Meinungsforscher triumphieren. Der Wähler sollte jedoch wissen, dass auch die wöchentlichen Umfragen bereits Meinungen prägen, eben weil die Auswahl der Befragten eine Tendenz von vornherein vorgibt. Mindestens muss jeder Befragte ein Telefon besitzen und genügend Verstand haben, die aktuellen Debatten im Bundestag und deren Abdrücke in den Medien zu verfolgen.
Bosbach/Korff schreiben verständlich und witzig, selbst für Leser, die mit Zahlen seit der Abwahl von Mathe nix mehr am Hut haben. Tatsächlich ist „Lügen mit Zahlen" ein Buch voller Aha-Erlebnisse für alle, die Zeitung lesen, Nachrichten und Wetterprognosen verfolgen und eben wählen gehen.
Gerd Bosbach hat bereits zahlreiche Beiträge zu den Themen Bevölkerungsentwicklung, Gesundheitsfinanzierung und Statistikmissbrauch veröffentlicht. Der Historiker und Politologe Jens Jürgen Korff ist Autor von Umweltlexika und aktiv im Umwelt- und Klimaschutz.