Martina Kink
Bad Hair Years
KEN. Ein britisches Institut rechnete aus, dass Frauen bei einem vorausgesetzten Durchschnittsalter von 63 ca. 26 Jahre mit ihrer Frisur unzufrieden sind. Also etwa 156 Tage pro Jahr. »Bad Hair Years« sind also immer. Oder Teile davon mindestens immer wieder. Das gilt auch für die ehemalige Chefsekretärin Martina Kink.
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Martina Kink zeichnet in diesem Buch einen Weg/ihren Weg einer Chefsekretärin in der Musikbranche von München bis Manhattan nach und landet am Ende als freie Texterin wieder in München. Als Leser muss ich dabei ein wenig vorsichtig sein, denn Autoren können am Ende immer sagen, dass alles oder zumindest Teile ihres Geschriebenen Fiktion sind. Und die Kategorie von »Bad Hair Years« ist in diesem Fall eben Roman.
Martina Kink: »Ich plane nicht, mir passiert immer nur.«
Trotzdem gehe ich davon aus, dass die Hauptdarstellerin in diesem tragisch-komischen Buch Martina Kink daselbst und höchstpersönlich ist. Das passt übrigens auch, weil sie einen so realistischen, freiberuflichen Weg schildert, dass sie alles nur selbst erlebt haben kann. So oder mindestens ziemlich ähnlich.
Mir gefällt ihr Mut, die Koffer zu packen und nach New York abzudüsen, um sich dort als Chefsekretärin zu behaupten und so herrlich auf den Kulturschock einzulassen, der in Manhattan wohl schon bei der Wohnungssuche einsetzt. Er endet noch lange nicht, wenn die Kolleginnen dem neuesten Marketingtrend aufsitzen und Rotwein als Lebenselixier entdecken. Damit und mit Bier kennt sich Martina Klink gut aus. Wobei: Wein in Bayern ist wie Bier in Bordeaux ... Martina Kink kann beides vermutlich hier wie dort.
Irgendwann ist Martina Kink nicht mehr in New York, sondern wieder zurück in »Good Old Munich«. Pech, dass es nicht Stuttgart ist, denn dort wäre sie - inzwischen jenseits der 40 - automatisch weise. So hat sie auf eine eigene Familie verzichtet und profiliert sich als Tante, die Auslandserfahrung in einer Stadt gesammelt hat, von der es heißt: Schaffst du es hier (also in NY), schaffst du es überall. »Überall« schließt München gerade eben noch mit ein.
Hat sie früher Termine für andere koordiniert und sich von mehr oder wenige fähigen Chefs diktieren lassen, was dann verschickt wurde, geht Kink als eher unfreiwillig Freiberufliche einen anderen Weg. Texten funktioniert auch ohne Job, Tippen kann sie ja. Hauptsache, die Ergebnisse sind bestellt/werden bezahlt. Und - falls nicht - nimmt die Texte trotzdem einer?
Martina Klink hat offenbar Glück gehabt. Eine Freundin vermittelt ihr die ersten Aufträge. Von der Schreiberin nach Diktat wird sie zur Texterin und lässt dabei bewusst die Vorsilben »Wer-be« weg. Gut so. Oder auch nicht.
Der »Roman« von Martina Kink berichtet von Mut, Einsicht und der Einsamkeit des Langstreckenschreibers, der mit allen möglichen Überlebenstechniken am Markt bleibt und immer wieder neue davon entdeckt. Martina Kink macht das auf eine eher plätschernde Weise und mit immer wieder originellen Formulierungen. Dies markiere ich auf der Genussseite. Ein Entwicklungsvorschlag wäre die mittel- bis langfristige Planung, und die lehnt sie ab: »Ich plane nicht, mir passiert immer nur so.«
Auf der Traurig-Seite steht das durchschimmernde Mitfühlen in den langen Nächten, in denen die ach so freie Freiberuflerin mit Zigarette, irgendwie trinkfest und trotzdem schreibend kreativ ihre Existenzberechtigung festzurrt. Wie verzweifelt, hält sie an ihrer künstlerisch schaffenden Ader fest. Schreiben kennt anscheinend keine Grenzen - jedenfalls in Promille. Und wenn alles andere an normalen Lebensmodellen wegbrechen sollte, lässt sie sich zumindest das nicht nehmen. Das freie Texten als Lebensform. Wer nichts damit verdient, ist trotzdem stolz, selbstständig - und Künstler.
Jetzt also »Bad Hair Years«. Martina Kink könnte mit ihrem Sprachwitz locker als Comedienne auftreten. So wie Julie Klausner, die Autorin von »Du kannst mich mal«, in den USA. Kinks Buch zeigt Potenzial für diesen Zweck.
Gleich danach wünsche ich mir, dass viele, erst recht angehende freiberufliche Texter sich ihr Buch schnappen. Ich hatte eine Fantasie zu Martina Kink beim Schreiben. Nix Schlüpfriges, denn dafür törnen mich schon Zigaretten ab. Aber ich kann die Verzweiflung großartiger Texter nachvollziehen, die ihren Mutter- und Vaterwitz, ihre analytischen und emotionalen Fähigkeiten in dieser Welt sinnvoll platzieren und sich von den Erlösen nach einer durchgeschriebenen Nacht am nächsten Morgen zumindest die Brötchen leisten können möchten.
Auch das sollten angehende Texter wissen. Wenn sie es wagen, zwischen den Zeilen zu lesen, dann ist »Bad Hair Years« eine gute Lehrstunde. Martina Kink beschreibt einen möglichen Weg von Textern: Sie sind immer unterwegs und kommen nie wirklich an. Notfalls suchen sie auf dem nächsten Planeten eben weiter. So gesehen: witzig und traurig zugleich. »Bad Hair Years« gilt für Frauen und Männer - Hauptsache Texter.