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Rebekka Reinhard – Schön!Rebekka Reinhard
Schön!

KEN. Wer sich abends auf Stuttgarts Partymeile traut, wird verzaubert sein von einer übersexualisierten »Schönheit«, die sich an Modellen wie dem Fußballer David Beckham und dem Pornostar Daniela Katzenberger orientiert. Rebekka Reinhard geht dieser Art von manchmal ziemlich grausiger Schönheit auf den Grund.

 
 

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Hauptsache schön! - Längst geht es heute bei Schönheit um mehr als das mathematisch Erfassbare, wie die klassischen Griechen es darzustellen versuchten. Auch sie wollten sich bereits von Schönheits-Moden verabschieden und objektive Kriterien für das Schöne über (messbare) Proportionen entwickeln. Das ist mehr, als wenn äußere Geschlechtsmerkmale nach chirurgischen Eingriffen dermaßen überbetont sind, dass von Schönheit, dem »Mehr als die Summe der Einzelteile«, nicht mehr die Rede sein kann.

Schön sein, schön scheinen, schön leben

Für Rebekka Reinhard ist die Welt der Planet »des merkwürdigsten aller Lebewesen«. Während im Tierreich stets das Männchen das schöne Geschlecht ist, setzt der Mensch Schönheit mit Weiblichkeit gleich. Selbst David Beckham wäre ohne seine weiblichen Gesichtszüge nur ein weiterer muskelgepackter Athlet, aber nicht zwangsweise schön: »Ein Körper ist mehr als nur Besitz. Er ist die äußere Gestalt einer geistig-seelischen Verfassung. Äußeres und Inneres gehören zusammen – wie Form und Inhalt.«

Das klingt tröstlich für alle ohne einen Körper wie David Beckham oder Heidi Klum, deren Schönheit Rebekka Reinhard durchaus in Frage stellt: »Je eifriger und gezielter man sich darum bemüht, schöner, jünger, modischer zu wirken, desto mehr verliert man an Anziehungskraft ... Die kalkulierte Schönheit hat immer etwas Starres, Verbissenes an sich.«

Schönheit findet statt, wo sich Äußeres und Inneres überlagern, wo sich im Außen zeigt, was man innen ist. Die »drei sicheren Kennzeichen äußerer Schönheit« sind: Anmut, die selbstvergessen äußere Schönheit einfach hinnimmt, und Stil, der die »Königsdisziplin Mode« überbietet und sich in besseren Gedanken ausdrückt. Anmut und Stil führen dann zu einer grundsätzlichen Haltung, bei der sich die äußere Schönheit in einen inneren Zustand verwandelt, der dann wieder nach außen wirkt. Anmut, Stil und Haltung sind Ergebnisse eines Prozesses, somit weder ein Geschenk der Natur, noch etwas, das man sich einfach kaufen kann.

Marilyn Monroe, Maria Callas oder Liz Taylor sowie ihre männlichen Entsprechungen wie Elvis Presley fehlt auch in diesem Sinn nach Rebekka Reinhard für die wahre Schönheit die Bodenhaftung: »Die Diva will lieber funkeln, als sich an kleinkarierte Regeln und Vorschriften zu halten. Alles an ihr ist unnormal, extraordinär, exzessiv ... Die Diva ist eine fleischgewordene Paradoxie. Sie ist schön und hässlich, großartig und erbärmlich zugleich.«

Ähnlich bewertet Rebekka Reinhard charismatische Persönlichkeiten wie Jimmy Jones, der seine Sekte in den Massenselbstmord trieb, oder gar Adolf Hitler. Deren schreckliche Attraktivität täusche darüber hinweg, dass sie im Grunde »absolute Dilettanten« waren. Ihnen gelang es zwar zu emotionalisieren, ihren Größenwahn in Posen umzusetzen und ihre Anhänger mit all ihrer Gefährlichkeit zu begeistern. Aber sie stachen bestenfalls heraus, waren damit »erhaben«, aber eben nicht schön.

Das gilt auch für Italiens früheren Regierungschef Silvio Berlusconi, der nach Rebekka Reinhard vor allem dreist ist und dem Persönlichkeit als »Ergebnis von Nachdenklichkeit« fehlt, wie die jüdische deutsch-amerikanische politische Theoretikerin und Publizistin Hannah Arendt (1906-1975) sagen würde.

Schönheit ist vor allem »Arbeit an sich selbst« und »eine ständige Umformung des eigenen Denkens, Fühlens und Handelns«. Das hat etwas Fließendes. Wer sich unabhängig von Äußerlichkeiten macht und sich als Teil eines größeren Ganzen sieht, wird sich um die wesentlichen Dinge kümmern. Wie bei einem Marmorblock wird er immer das Überflüssige wegmeißeln, damit die »eigene Statue« in voller Pracht sichtbar bleibt.

Schönheit ist damit für den Menschen ein Kunstwerk, das immer wieder neu gestaltet und geübt werden muss. Sie wirkt von außen nach innen wie von innen nach außen. Dazu gehören nach Michel Eyquem de Montaigne (1533-1592) Kriterien wie Sinnlichkeit, Geduld, Geselligkeit, Freundschaft und Humor sowie – aus philosophischer Sicht – eine »im Großen und Ganzen glückliche, gelungene, sinnvolle Existenz«.

Gut gefallen hat mir an Rebekka Reinhards Ansatz, dass sie Schönheit überzeugend auf das Zusammenwirken von äußeren und inneren Anteilen zurückführt. Genau das geht bei dem schnellen Durchlauf der konsumorientierten Moden verloren. Das Schöne als rein Äußerliches war wohl niemals vergänglicher als heute. Stars und Sternchen sind Teil dieser Moden. Vermissen wir bei ihnen die innere Schönheit im Sinne einer stets gepflegten Echtheit, dann sind wir vom wahren Schönen weit entfernt.

Mit Rebekka Reinhards philosophischem Ansatz sind wir unabhängig von Idealen, die von der üppigen Venus von Willendorf über die drei drallen Grazien von Peter Paul Rubens bis hin zu den »Tits on Sticks« (Titten auf Stielen) der Gegenwart reichen, in der pubertierende Jugendliche das Schönheitsideal vorzugeben scheinen.

»Schön sein« hat heute leider häufig etwas zu tun mit »schön scheinen« wollen. Schönheit im Sinne von »schön leben« erfordert Ausstrahlung, die von innen kommt. Sie wirkt auch dann, wenn das Äußere von der aktuellen Mode abweicht. Sie durchdringt dieses Äußere, ist gleichfalls vergänglich, wenn sie vernachlässigt wird, aber unabhängig von flüchtigen Konsumtrends.



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