Ule Hansen
Blutbuche
KEN. Eine Leserin von »Neuntöter« (2016) nannte die Fallanalystin Emma Carow noch die »Quote für die Inklusion« unter den Kriminalern. Das war böse, denn die Heldin von Ule Hansen hatte glaubwürdige Ecken und Kanten. In »Blutbuche« wirkt sie auf der Neurotik-Skala auf Augenhöhe mit ihrem Team, das einen Psychopathen jagt, der Frauen in Stücke reißt.
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In einer Talkshow stellt sich Emma Carow ihrem Vergewaltiger Uwe Marquardt. Nach der abgesessenen Strafe hämmert der sich mit einem Buch über seine Läuterung ins öffentliche Bewusstsein. Für Emma Carow hat er sich keinesfalls geändert, und seine Gefährlichkeit wird trotz öffentlichkeitswirksamer Aktionen bleiben, mit denen er sie zurückerobern will.
Ein hochkompliziertes Rätsel - selbst für Emma Carow
Ihr heimlich nachzustellen, scheint eine der einfachsten Übungen für Uwe Marquardt zu sein. Er weiß mehr über Emma Carow und ihre aktuellen Ermittlungen, als es ihr recht sein kann: Ein Psychopath hat offenbar die Vierteilung neu erfunden und »verbessert« mit jedem der weiblichen Opfer seine Technik.
Die Berliner Polizei steht vor einem komplizierten Rätsel, denn die Hilferufe in den hinterlassenen Briefen sind auf Deutsch verfasst, aber die abgetrennten Köpfe werden in Polen gefunden. Emma Carow muss nach ihrem Fernsehauftritt im eigenen Kriminalamt bei diesem Fall wieder um ihre Berechtigung als Gutachterin streiten und gerät mit ihrer Amtshilfe rund um den »Reißer« in diplomatische Verwicklungen.
Es gibt ein paar historische Bezüge zur Handlung: übermütige Teenager, die sich in vermintes Gelände wagen, um ihre Mitschülerinnen zu beeindrucken. Sie brauchen danach Implantate und Prothesen für ihre besseren Stücke und ungewöhnliche Rituale, um ihre Sexualpartner zu überzeugen. Emma Carow dringt damit stärker auf das Gelände der »Biohacker« vor, als sie es sich jemals hätte vorstellen können. Aber wo Kontaktlinsen bereits als Körperimplantat gewertet werden, darf es für gestandene Cyborgs auch unterhalb der Gürtellinie mehr sein.
Auf diese Weise bleibt Emma Carow für die Leser von Ule Hansen interessant, wie seinerzeit Lisbeth Salander in Stig Larssons »Millenium Trilogie«. Aber Emma Carow hat sich verändert. In »Neuntöter« tapste sie noch wie ein junger Welpe durch das nächtliche Berlin und faszinierte ohne technischen Schnickschnack. In »Blutbuche« finde ich sie psychologisch weniger raffiniert angelegt. Astrid Ule und Eric T. Hansen, alias Ule Hansen, punkten stattdessen wie in einer Geisterbahn mit großzügig gestreuter Action, die »Fifty Shades of Grey«, »Indiana Jones« und »The Killing Fields« kaum nachsteht.
Vielleicht haben die Autoren es damit zu gut gemeint. Und ob Uwe Marquardt das wieder richten wird? Sein finales Duell mit Emma Carow hängt zwei Jahre nach »Neuntöter« jedenfalls noch an der Klippe. - Ich bin gespannt auf den nächsten Ule Hansen.