Ann Cleeves
Die andere Tote
KEN. Der ehemalige Polizist John Brace sitzt in »Die andere Tote« von Anne Cleeves (* 1954) wegen Mordes im Gefängnis. Um seiner Tochter Patricia und den Enkeln zu helfen, ist der Schwerkranke bereit, seiner Nachfolgerin bei der Northumbria Police zu verraten, wo die sterblichen Überreste eines weiteren Mitglieds der »Gang of Four« liegen. Doch Vera Stanhope findet dort mehr Knochen als nur die von Robbie Marshall.
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Vera Stanhope redet ihre Informanten fix mit »Herzchen« an. Das ist gewöhnungsbedürftig, denn die polizeiliche Ermittlerin möchte ernst genommen werden. Allerdings wird sie deswegen genauso unterschätzt, wie wenn sie mit schmutzigen Füßen und Sandalen zur Einsatzbesprechung kommt oder übergewichtig und mit hohem Blutdruck zu den Tatorten schnauft.
Ein verhängnisvoller Pakt
Ann Cleeves hat mit Vera Stanhope eine Serienheldin ins Leben gerufen, die wenig mit den soziopathischen Action-Ermittlerinnen und -Ermittlern auf den gängigen TV-Kanälen gemein hat. Vera Stanhope punktet trotz ihres hohen Body-Mass-Indexes mit ihrer Ausdauer, mit ihrer Vorliebe für die schnelle Küche »Fish and Chips« und ihrer Direktheit.
Vera Stanhope hat ihr Leben offenbar nie auf dem üblichen Heiratsmarkt der Schönen und Guten verbracht und verbeißt sich gerade deshalb so sehr in ihre Fälle. Die schier unlösbaren sind ihre größte Leidenschaft. Die Kollegen der Northumbria Police jedenfalls rechnen mit ihr – wegen John Brace und weil die Spuren zu einem Stadtentwicklungsprojekt an der Whitley Bay und zum ehemaligen, dubiosen Nachtclub »The Seagull« führen.
Als John Brace während eines Vortrags im Gefängnis Kontakt zu ihr aufnimmt, wird Vera Stanhope mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Denn ihr verstorbener Vater Hector und der geheimnisvolle »Professor« scheinen ebenfalls in die Ereignisse verwickelt gewesen zu sein. Und noch ist gar nicht klar, ob die Knochen der zweiten Toten in dem feuchten Grab von Robbie Marshall tatsächlich die Überreste von Mary-Frances Lascuola gewesen sein könnten, der großen Liebe von Ex-Kommissar John Brace.
»Die andere Tote« ist tendenziell ein langsam dahinfließender Krimi, ohne dass es der Geschichte schadet. Das Tempo entspricht dem Maß an Sportlichkeit, die man bei Vera Stanhope vermuten darf. Die Kommissarin ist eben auch als Modell dafür angelegt, dass die Persönlichkeit anders beurteilt werden sollte als in Kilogramm und Pfund.
Ann Cleeves ist Trägerin von Literaturpreisen wie dem »Duncan Lawrie Dagger Award« oder seit 2017 dem »Diamond Dagger« für ihr Lebenswerk. Die Handlung von »Die andere Tote« verlegte sie bewusst in den Nordosten Englands. Der Roman soll ein weiterer Anlass sein, Whitley Bay in Northumberland zu besuchen. Die sturmumtoste Küste ist eben mehr als eine hervorragende Kulisse für die dunklen Seiten der menschlichen Fantasie.