Adam Nevill
Apartment 16
KEN. Wer sich Barrington House wie die Titanic auf dem Meeresgrund, mit den Opfern, aber ohne Wasser vorstellt, der liegt wahrscheinlich richtig. Die junge Amerikanerin Apryl erbt eine Wohnung in diesem alten englischen Haus, und irgendwie scheint dort nicht nur die Geschichte aus dem frühen 20. Jahrhundert lebendig zu sein, sondern auf eine gruselige Weise auch das längst Vergangene.
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Adam Nevill hat mich bereits mit »Im finsteren Wald« beeindruckt. Ehrlich gesagt, möchte ich nicht mit seiner Fantasie am Schreibtisch sitzen. Es reicht vollkommen, was in seinen Horror-Romanen davon übrigbleibt. Und seine Heldin Apryl hätte all das auch lieber nur gelesen als selbst erlebt.
Barrington House - das Böse wohnt nebenan!
Die Wohnung ihrer verstorbenen Tante Lilian hat etwas vom Titanic-Charme und gleichzeitig etwas unangenehm Düsteres. Das trifft dann auch gleich auf den ganzen Rest des Barrington House zu, von den Kellern mit dem Gerümpel längst Dahingeraffter über die Portiers, an Apartment 16 vorbei bis hin zum Dachstuhl. Irgendwie scheinen alle Bewohner durchgeknallt zu sein, und das hat nichts mit ihrem hohen Alter zu tun, was nicht als Entschuldigung taugen täte. Sie drehen die Spiegel um, und es gibt keine Bilder in den Wohnungen. Auch bei Großtante Lilian nicht. Und das hat einen Grund.
Wenn die schöne Witwe sich aus dem Haus traute, um beispielsweise zu ihrer Schwester nach Amerika zu fliegen, hielt eine geheimnisvolle Macht sie in einem engen Kreis rund um das Barrington House gefangen. Sie konnte nicht weg und vertraute ihre Nöte ihrem Tagebuch an, das nach ihrem Ableben ihrer amerikanischen Großnichte in die Hände fällt.
Etwas Schreckliches muss seinerzeit in Apartment 16 passiert sein. Und jemand Schreckliches muss es zuvor aktiviert haben. Apryls Recherchen über die verbotene Wohnung führen über die Tagebücher ihrer Großtante schon bald zu dem Maler Felix Hessen, der sich okkulten Praktiken verschrieb, in seinen Werken der Vergänglichkeit nachging und ihr größter und grausamster Schüler wurde. Alle überlebenden Zeitgenossen Hessens bis hin zu einem Club heruntergekommener Altengländer, die nach seiner offiziellen Zeit über ihn forschen, finden seine Bilder faszinierend schrecklich, auf eine schreckliche Weise faszinierend oder haben eine panische Angst davor.
Wenn schon jemand Felix und Hessen heißt, dann liegt der Sprung zu den hässlichen Deutschen und Nazi-Deutschland nahe. Damit lässt sich trefflich spielen. Und Autor Adam Nevill tut das auch. Ich finde es unglaublich, wie er immer wieder Schatten durch die Wahrnehmung seiner Figuren flitzen lässt, wie er nach und nach den Wahn und den durch die Hässlichkeit des Vergehenden getriebenen Portier und Hobbymaler Seth aufblühen lässt. Der paktiert schon bald mit der Hölle und kann nur hoffen, dass das nicht auch sein schreckliches Ende besiegelt.
Apartment 16 ist der Vorhof zur Hölle. Und leider scheint Apryl in ihrem Forscherdrang das ganze Grauen wieder zu beleben, während sie sich bei den alten Bewohnern des Barrington House nach ihrer Tante erkundigt. Irgendwann wird sie nicht darum herumkommen, allen ihren Ängsten zum Trotz Apartment 16 zu betreten ...
Adam Nevill hat wieder einmal einen Roman geschrieben, der das Grauen zum Thema hat. Schrecklich schön. Am besten lesen Sie es am helllichten Tag und wenn Sie wirklich gut drauf sind. »Apartment 16« ist echt kein Spaß. Vielleicht werden Sie es - wie Apryl - nie wieder los.