Ryan David Jahn
Die zweite Haut
KEN. Ryan David Jahn hat gute Chancen, einer meiner bevorzugten Thriller-Autoren zu werden. »Die zweite Haut« beweist, dass er elegant und mitreißend Schleifen schaffen kann, denen wir uns als Leser kaum mehr entziehen können: Was wäre zum Beispiel, wenn wir etwas auf zwei Weisen erleben und uns dabei selbst erlösen könnten?
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Das klingt ein bisschen wie »Und täglich grüßt das Murmeltier« und ist doch ganz anders. Simon jedenfalls wird in diesem Thriller ein Rätsel lösen müssen, das in seiner tristen Umgebung keinen wirklichen Platz hat. Seinen Job auf der eher schattigen Seite des Lebens bekommt er einigermaßen gut hin. Sein Bedürfnis nach Nähe befriedigt er recht dürftig auf dem Heimweg von der Arbeit in den Kabinen schmuddeliger Pornokinos.
Das Leben des anderen
Simon lebt ohne Sinn und Ziel. Bestenfalls tut er etwas für die Gemeinschaft, wenn er in der Umgebung seiner Wohnung ein nervendes Graffito übermalt. Prompt erscheint kurz darauf an gleicher Stelle wie ein bedrohlicher Auftrag an einen Unbekannten der Schriftzug »Well, take him«. Tatsächlich ist so etwas wie der Höhepunkt in Simons traurigem Leben, dass er in seiner Wohnung überfallen wird. Doch Jeremy, der Täter, hat sich verrechnet.
Simon tötet Jeremy und hat neben dem unerklärlichen Mordversuch jetzt zusätzlich das Problem, die Leiche entsorgen zu müssen. Zu allem Überfluss gleicht er seinem gescheiterten Mörder wie aus dem Gesicht geschnitten. Auch die Kleidergröße passt. Um Jeremys Motiv herauszufinden, schlüpft Simon in dessen Rolle. Seine Frau oder seine Kollegen an der Universität ahnen irgendwie, dass »Jeremy« nicht mehr er selbst ist. Aber auf dem Campus gibt es andere, die sich dessen schon bald sogar sicher sind.
Auf dem Weg zur Lösung wird Simon dem Wahnsinn näher kommen, als er sich das jemals hätte vorstellen können. Vielleicht löst er das Rätsel erst, wenn er das Schicksal seines Doppelgängers teilt. -
Ryan David Jahn erschafft in seiner Geschichte eine Atmosphäre wie der legendäre Jim Thompson und »In die finstere Nacht«. Das ist ein sehr gutes, klassisches Niveau, auf dem Jahn weiter aufbauen kann. Vielleicht fühlt sich in den Jahren, die da noch kommen werden, ein weiterer Autor dadurch so sehr angeregt wie seinerzeit kein Geringerer als Stephen King von Jim Thompson.