Josef Wilfling
Verderben
KEN. Die Titelstrategie der Josef-Wilfling-Bücher erinnert an den Schweden Stieg Larsson und seine Trilogie. Übersetzt auf Wilfling heißt es »Unheil«, »Abgründe« – oder wie in diesem Buch »Verderben« mit der Unterzeile »Die Macht der Mörder«.
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Josef Wilfling gilt in der Münchner Mordkommission als Legende. Obwohl ihm als ehemaliger Ermittler nichts Unmenschliches fremd scheint, hat er sich seine Empathie ebenso bewahrt wie seine Betroffenheit. Morde aufzuklären ist eben nicht nur ein Job, sondern bedeutet zumindest für Josef Wilfling, sich auch mit der Familie der Opfer und der Stigmatisierung des (möglichen) Täters zu beschäftigen.
Weil jeder Mord mehr als ein Opfer fordert
Das Buch beschreibt schon mit seinen Kapitel überschriften, um wen es eigentlich geht: um Sadisten, Narzissten, um wahre oder vermeintliche Opfer, scheinbar Ehrenwerte, um Betroffene und Biedermänner.
Am meisten schockiert hat mich die Geschichte des Todkranken, der Frauen missbrauchte, quälte und mit seiner Krankheit infizierte. Ob sie überleben würden, war ihm ziemlich egal. Er hatte offenbar selbst mit dem Leben abgeschlossen, um sich rücksichtslos seinen perversen Fantasien hinzugeben. Wann immer er in die Nähe von Ermittlern kam, gab es Anwälte, die den scheinbar Bemitleidenswerten wieder »freikauften«. - Das Recht treibt manchmal skurrile Blüten und kostete in diesem Fall mehrere Frauen entweder das Leben oder zumindest ein Weiterleben in Frieden und Würde.
Doch nicht nur die Opfer sind von den Taten betroffen, sondern häufig auch deren Angehörige. In diesem Sinne finde ich »Verderben« lesenswert. Viele werden jedes Mal aufatmen, wenn in den Medien das Gute über das Böse siegt. Zu Letzteren gehören Menschen, die keinen Zugang zu irgendeiner Art von Skrupel haben. Josef Wilfling hat in seinem Beruf genügend Begegnungen mit solchen Menschen gehabt, die sich selten genug darum schwerten, dass die Auflösung eines Falles durch Polizei und das Gericht kein Schlusspunkt ist. Ob jemand ein Haus in Brand setzt, einen Menschen quält oder gar tötet, hat immer Folgen für das System des Opfers und auch für das des Täters. Josef Wilfling und seine Kollegen begeben sich im Rahmen der Verbrechensbekämpfung und -ermittlung immer wieder in trübes Gewässer. Das finde ich mutig und immer wieder auch riskant für die eigene körperliche und psychische Gesundheit.
Umso schlimmer ist es, wenn sich manche Fälle erst nach Jahren oder Jahrzehnten aufklären, die Täter unbehelligt leben, während den Opfer und ihren Angehörigen nur die Hoffnung auf Gerechtigkeit und Wiedergutmachung bleibt. Wie makaber wirkt da der Wilfling-Fall, bei dem der Mörder mehrerer Frauen in umfangreichen Tagebüchern von seinen Ermittlern auch noch Verständnis fordert.
»Verderben – Die Macht der Mörder« ist eine weitere Begegnung mit den dunklen Seiten menschlicher Begierden. Diese sind vermutlich schrecklicher als alles, was uns sonntagsabends der »Tatort« ins Wohnzimmer schickt, während wir gemütlich auf der Couch sitzen. Schade, dass die Wirklichkeit selbst Motive für Bücher wie die von Josef Wilfling liefert. Ich glaube, sogar er wäre als Autor lieber mit anderen Themen genau so erfolgreich.