Klaus Heilmann
Zeitbombe Medikament
KEN. Klaus Heilmann ist vor allem als Risikoforscher bekannt, Arzt ist er außerdem. Somit kennt er auch diese Zunft und wie sie mit Medikamenten umgeht. In »Zeitbombe Medikament« führt er uns vor, welche Risiken Arzneimitteln bergen, die uns zumindest offiziell Gutes tun sollen.
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Jedes Medikament hat eine lange Vorgeschichte. Manche wurden über viele Jahre gezielt entwickelt, andere zufällig entdeckt, und wieder andere wirken plötzlich in Bereichen, für die sie vorher gar nicht vorgesehen waren. So wurde Aspirin 1899 als schmerzstillendes und fiebersenkendes Mittel entdeckt, 1948 ein positiver Einfluss bei Herzinfarkten wahrgenommen und - 40 Jahre später - wissenschaftlich anerkannt. Heute vermuten Forscher sogar eine vorbeugende Wirkung bei Krebs.
Medikament: Fluch oder Segen?
Häufiger kommt es jedoch vor, dass die Pharmaindustrie neben unserem Wohl vor allem einen gigantischen wirtschaftlichen Nutzen im Sinn hat, auch um die Entwicklungskosten für ein Medikament wieder hereinzubekommen. Mit enormem Werbeaufwand werden Bedürfnisse nach einer höhere Lebensqualität geweckt und Medikamente schließlich sogar »wie Lebensmittel« eingenommen, klagt Klaus Heilmann. Statt dass viele Menschen ihren Alltag angemessener gestalten, nehmen sie Schlaftabletten, Schmerz-und Aufputschmittel, die mit ihren Nebenwirklungen sie selbst und die Umwelt belasten. - Klaus Heilmann rüttelt mit »Zeitbombe Medikament« wieder einmal heftig an Pfosten, die uns eine trügerische Sicherheit vorgaukeln.
So fragt er auch, was Krankheit eigentlich ist und wer genau sie im Einzelfall definiert: »Würde man jedes Abweichen von der Norm als Krankheit bezeichnen, würde es vermutlich wenig gesunde Menschen geben.« Ein neuer Normwert für erhöhten Blutdruck könnte mit einem Schlag die halbe Bevölkerung zu Hypertonikern machen - und zu potenziellen Kunden für blutdrucksenkende Medikamente.
Wenn Medikamente schließlich an Menschen getestet werden, dann unter Bedingungen, die von denen möglicherweise mehrfach belasteter Kranker abweichen. Der wirkliche Medikamententest findet nach Klaus Heilmann erst nach der offiziellen Freigabe statt. Ob es unerwünschte Nebenwirkungen gibt, weiß man möglicherweise erst nach Jahrzehnten, wenn nicht sogar erst bei der Generation der Kinder oder Enkel. Blindes Vertrauen ist bei Arzneimitteln allemal unangebracht.
Das betrifft dann auch Ärzte, die im Praxisalltag kaum auf alle Effekte eingehen können und schon statistisch gesehen damit überfordert sind, Nebenwirkungen zu erkennen und einem Medikament eindeutig zuzuordnen. Auch sie müssen den Angaben der Pharmaindustrie und den Zulassungsbehörden vertrauen und verschreiben, was ihnen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben von Pharmareferenten am überzeugendsten »verkauft« wird.
Und schließlich gibt es eine unterschätzte Rückkoppelung von den Endverbrauchern auf Ärzte und die Hersteller der Medikamente. Niemand kann die Wirkungen einer Verordnung zuordnen, wenn ein Patient Medikamente gar nicht oder nicht in den verordneten Dosen zu sich nimmt.
Klaus Heilmann spricht in seinem Buch ziemlich Klartext mit teils historischen Beispielen und Analysen, die auch kulturelle Faktoren einbeziehen. Japaner beispielsweise nahmen zwischen 1956 und 1970 überhöhte Dosen Mexaform mit dem Wirkstoff Clioquinol gegen Durchfallerkrankungen zu sich, weil sie dem Darmbereich mit dem »Hara« als Zentrum der Lebensenergie ohnehin besondere Aufmerksamkeit widmeten. Die Folgen waren weitverbreitete Nervenschädigungen. Einer der Risikofaktoren bei Arzneimitteln ist damit auch der Patient selbst.