Renate Künast
Hass ist keine Meinung
KEN. Hinten auf der Buchklappe steht, dass dieser »Aufruf zum Mut« ein eindringlicher Beitrag zur aktuellen Debatte sein soll: »Hass ist keine Meinung«. Renate Künast (* 1955) hat sich mutig mit ihrem Thema auseinandergesetzt. Betroffen zu sein, ist schlimm genug. Sie ließ es nicht dabei bewenden und ging der Hasssprache auf den Grund.
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»Hatespeech, Gewalt und Verrohung sind in vielerlei Hinsicht ein globales Phänomen. Aber die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, beginnt auf der untersten Ebene der Gesellschaft, in der Mikrostruktur: in Familien und Schulen, an öffentlichen Orten, im Straßenverkehr, überall dort, wo Menschen miteinander kommunizieren. Ein großer Teil unserer Kommunikation aber findet heute im Internet statt. Deshalb darf es uns nicht egal sein, was dort passiert«, sagt Renate Künast.
Was die Wut in unserem Land anrichtet
Renate Künast ist eine der auffälligsten Politikerinnen der letzten Jahrzehnte. Mit Unterstützung der Journalistin Britta Stuff suchte sie Verfasser von Hass-Botschaften auf und ordnete die Ergebnisse ihrer Recherchen in ein größeres Ganzes ein. Die sozialen Medien, die sie selbst seit vielen Jahren für ihre politische Arbeit nutzt, sind eben nicht nur Segen. Sie enthalten genauso sehr das Potenzial zum Fluch.
Dafür braucht niemand mit dem Finger über den Atlantik zu zeigen: Wer irgendwo auf der Welt ein E-Mail-oder Nutzerkonto anzulegen weiß, kann unter beliebigen Tarnnamen Schmähungen und übelste Beschimpfungen absetzen und danach gleich wieder feige in der Anonymität verschwinden.
Renate Künast ist Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz. Ja, sagt die gelernte Juristin, es gebe Wut in unserem Land, mit der könne und müsse man sich politisch auseinandersetzen. Aber es gibt eben auch eine neue Informations- und Nachrichtenkultur, die es einfach macht, diese Möglichkeit zu umgehen, die auf gefilterte Informationen und am Ende auf Hass setzt.
Renate Künast ist da eindeutig. Wer Hasssprache im Internet nutzt, kann sich eben nicht darauf berufen, er habe sich lediglich abreagieren wollen; und nach dem Klick auf »Senden« sei es ihm auch gleich besser gegangen. Rufmord ist eben kein Kavaliersdelikt. – Ich kann nachvollziehen, dass die Politikerin der Grünen eine Entschuldigung mit dem Hinweis auf den gefährdeten Ausbildungsplatz ablehnte.
In ihrer politischen Laufbahn hat Renate Künast einiges an Beleidigungen und unsachlichen Angriffen ertragen müssen. Damit ist sie unter Menschen des öffentlichen Lebens keine Ausnahme. Und die Zitate dazu stehen im Buch. Zumindest in der gedruckten Version kann Google sie nicht erreichen, denn Suchmaschinen sind Teil des Problems. Sie schaffen »Filterblasen« und »Echokammern« und versorgen uns vorrangig mit Informationen, die unserem Verhaltens- und Bewegungsprofil im Internet entsprechen.
Viele oberflächliche Nutzer glauben danach, dass es nur noch Gleichgesinnte gibt und ihre Hasssprache die der Mehrheit sei. Wer diese Klaviatur beherrscht, kann Wahlen beeinflussen und mit bedenklichen Inhalten in die Parlamente einziehen. Mit neuen Identitäten, die wenig später wieder gelöscht werden, ist es möglich, jederzeit jede Information zu streuen.
Renate Künast analysiert in diesem Buch, wie dieser Mechanismus funktioniert. Sie bekämpft die Hasssprache, wo die freiwillige Selbstkontrolle schon lange nicht mehr – oder lange noch nicht – greift. Facebook, Twitter und andere Anbieter lenken inzwischen ein. Allerdings viel zu langsam.
Die größten Profiteure des Internets zögern, Hassmeldungen, kritische Bilder und Filme kurzfristig zu löschen. Gerade US-amerikanische Unternehmen berufen sich dabei auf andere Prinzipien der Meinungsfreiheit als europäische Politiker wie eben Renate Künast: Was Präsident Donald Trump sich herausnimmt, muss seinem Wähler anscheinend billig sein.
Die Urheber von Hassbotschaften juristisch zu belangen, ist sogar noch schwerer. Die Ermittlungen und Verfahren dauern unter Umständen viele Monate. Doch Unternehmen wie ECO in Köln, Verband der Internetwirtschaft e.V., gehen neue Wege für ein saubereres Internet.
ECO verfolgt Meldungen und Kommentare, die nichts mehr mit Menschenwürde und Respekt vor dem anderen zu tun haben und die Meinungsfreiheit missbrauchen. Die Mitarbeiter haben als Teil des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf psychologische Betreuung und dürfen sich nur wenige Stunden täglich mit den übelsten Meldungen, Nachrichten, Fotos und Videos im Internet befassen. Renate Künast empfiehlt, dass Mitarbeiter von Beschwerdestellen juristisch geschult sein und Erfahrungen bei der Verfolgung von Straftaten haben sollten. –
Vielleicht hätte es einen besseren Zeitpunkt für das Buch geben können, denn Renate Künast muss darin auch auf das politisch extrem rechte Spektrum eingehen. »Hass ist keine Meinung« sollte jedoch auch gelten, wenn gerade keine Bundestagswahl ansteht. Und nicht alles, was Mark Zuckerberg für seine Vision einer weltumspannenden Gemeinschaft hinnimmt, müssen wir auch teilen.
Hass und Hasssprache haben in einer politischen Debatte so wenig zu suchen wie im Internet. Sie bewirken bestenfalls einen neuen Standard von Aufrüstung und Zerstörung, die niemand wirklich wollen kann.