Das neue Verhandeln
Verhandlungen sind ein emotionsgeladenes Geschäft. Nach traditioneller Anschauung geht es dabei um Sieg und Niederlage. Der Stress dabei führt Verhandlungspartner in (selbst-) zerstörerische Zustände, die immer häufiger als Burnout bezeichnet werden. Die Alternative wäre, gemeinsam gewinnen zu können. Petra Schächtele weiß sehr wohl, wie man jemanden verbal besiegen kann. Als Expertin für die elegante Schlagfertigkeit hat sie jedoch auch einen Zugang zu einem genussvolleren Ansatz. Die Fachfrau für neurophysiologische Zusammenhänge geht im Gespräch mit Christoph Krüger und Peter Kensok, den Autoren von »Das neue Verhandeln«, der Frage nach, ob ein flexiblerer Stil vom Schlachtfeld der Verhandlungen zum Verhandlungstisch führen kann.
Petra Schächtele: Als ich Ihr Manuskript gelesen habe, dachte ich zunächst, das neue Verhandeln ist ein Stil von Weicheiern. Von Menschen, die sich nicht trauen, für ihre egoistisch motivierten Verhandlungsziele einzustehen. Dann habe ich festgestellt, dass sie sehr wohl ihre eigenen Ziele verfolgen, darüber hinaus aber auch den »unterlegenen« Verhandlungspartner und seine Bedürfnisse wahrnehmen. Sie erleben sich als mitverantwortlich für die andere Seite und schaffen damit langfristig erfolgreiche Verhandlungsbeziehungen. Ist das neue Verhandeln trotzdem ein weichgespültes Verhandeln?
Christoph Krüger: Durchaus nicht! Wir haben festgestellt, dass viele klassischen Verhandler, die sich selbst als »harte« Verhandler verstehen, Druck machen um des Druckes Willen, also um sich in ihrem Selbstverständnis zu bestätigen. Dabei geraten ihnen oft ihre eigentlichen Verhandlungsziele aus dem Fokus. Der neue Verhandler ist selbstbewusst genug, nicht hart sein zu müssen. Und er ist dennoch weiterhin zielorientiert genug, um dabei nicht den Erfolg für sich und sein Unternehmen aus den Augen zu verlieren.
»Das neue Verhandeln« bewirkt, dass wir uns mit Erfolg sowohl den eigenen, »egoistischen« Zielen zuwenden, als auch die berechtigten Ziele der Verhandlungspartner akzeptieren können, und das alles mit Gewinnabsicht, denn dafür werden wir als Verhandler im Einkauf und im Verkauf bezahlt. Dazu gehört Mut; mit Weichspülung hat das rein gar nichts zu tun.
Petra Schächtele: Wie kommt ein Journalist dazu, sich diesem Thema zuzuwenden?
Peter Kensok: Ich bin nur unter anderem Journalist und darüber hinaus seit vielen Jahren als Trainer und Coach unterwegs. Christoph Krügers Einladung, ihn bei »Das neue Verhandeln« zu unterstützen, hat mich besonders gefreut, weil er den Menschen als verhandelndes Wesen wahrgenommen hat. Mindestens in diesem Sinn hat jeder Berater und Trainer täglich mit Verhandlungen zu tun. Auch bei diesem Buch hat Verhandeln eine große Rolle gespielt, sei es um Termine, Inhalte, den Titel, das Cover - es war ein sehr lebendiger Austausch von Erfahrungen, ein Abgleich von Interessen bei einem Kuchen, den wir hoffentlich gemeinsam erfolgreich vergrößert haben.
Petra Schächtele: Was hat Verhandeln mit Coaching zu tun?
Christoph Krüger: Wir haben in unserem Buch ein kleines Kapitel zum Thema interkulturelles Verhandeln geschrieben. Wie relativ so etwas ist und dass am Ende das Herz auf dem rechten Fleck und eben nicht das einstudierte Höflich-Sein nach dem Studium des Knigges der anderen Kultur gewinnen wird, geht daraus hoffentlich hervor. Verhandler sind nicht zwangsweise interkulturelle Coachs, aber interkulturelle Coachs sind immer auch Verhandler. Im Gegensatz zu einem klassischen Coach sind wir Verhandler aber nicht fürsorgepflichtig für unser Gegenüber.
Peter Kensok: Wir haben uns beim Schreiben des Buchs immer wieder daran erinnern müssen, dass »weich« eben nicht »schwach«, sondern »flexibel« bedeutet. Gerade durch das Einbinden neurophysiologischer Aspekte bin ich selbst im Zusammenhang mit Verhandlungssituationen immer wieder auf den Begriff »Fürsorglichkeit« gekommen. Nach Christophs Einwänden habe ich ihn dann konsequent gegen »Rücksichtnahme« ausgetauscht. Das ist die Mitte, auf die wir uns nach einer kleinen Verhandlung gemeinsam geeinigt haben. Auch in diesem Sinn habe ich von der Expertise meines Verhandlungskollegen viel gelernt.
Ich verhandle als Coach meiner Klienten ansonsten mit deren Persönlichkeitsanteilen, die im Widerstreit zueinander stehen. Selbst erfolgreiche Verhandler können sich dem nicht entziehen. Wenn sie im Umgang mit sich selbst nicht genau so gut verhandeln, dann geraten sie auch im Beruf in regelrecht traumatisierende Sequenzen, die ganze Familien auseinandersprengen können. Ich verhandle somit nicht nur als Verkäufer mit Seminaranbietern und Verlagen, sondern auch mit Menschen, die mit sich selbst nicht zurechtkommen. Das sind erstaunlicherweise häufig Frauen und Männer, die zu lange auf dem Schlachtfeld der Verhandlung waren. Wir hoffen, mit »Das neue Verhandeln«, dem Konzept der »Rotwein-Dateien« und der Idee »Verhandlungstisch statt Schlachtfeld der Verhandlungen« ein bisschen Entspannung in den Alltag dieser Menschen zu bringen.
Petra Schächtele: Was waren Ihre schwersten Verhandlungen?
Christoph Krüger: Nach meinen Erfahrungen sind die schwersten Verhandlungen immer die mit den eigenen Kindern sind. Kinder beherrschen alle Möglichkeiten des Verhandelns, ob Wertschätzung oder Manipulation und gleichgültig, mit welcher Strategie. Und wir Eltern, Verhandlungstrainer hin, oder Einkaufsprofi her, stehen ihnen oftmals ziemlich entwaffnet gegenüber.
Meine schwerste geschäftliche Verhandlung war in der Baubranche mit einer Unternehmerin, die das Unternehmen erst kurz zuvor von ihrem verstorbenen Mann übernommen hatte. Sie erklärte mir gleich zu Beginn, dass sie diesen Auftrag unbedingt bräuchte, sonst könne sie zumachen. Die Information über den Preis, auf den sie kommen müsste, um einen bestimmte Auftrag zu erhalten, würde ihr schon sehr helfen. Es war für mich nicht einfach, in diesem Fall auf die Metaebene zu kommen und diese Verhandlung für alle Seiten fair zu Ende zu bringen.
Peter Kensok: Eigentlich waren es immer Verhandlungen, bei denen meine eigene emotionale Beteiligung ungeklärt war oder private Belastungen sich auf die beruflichen Verhandlungen auswirkten. Verhandler haben jenseits des Berufs eben auch ein Privatleben, das mit in ihrer Verhandlungen hineinwirkt. Es ist kaum möglich, mit einer schlechten Nachricht vom Hausarzt, vom Vermieter, vom Steuerberater und wem auch immer im Hinterkopf sauber zu verhandeln.
Einer meiner Verhandlungslehrer hat nach langer, schwerer Krankheit ziemlich weise über meine »Problemchen« gelächelt. Seitdem muss ich nicht mehr um jeden Preis gewinnen. Ich tue das trotzdem, weil ich auch die Interessen meiner Verhandlungspartner wahrnehmen kann. Jeder von uns will vorankommen, und wie im Gefangenen-Dilemma gibt es eine dominante Strategie, und die besteht darin, dass beide den insgesamt maximalen Nutzen haben, wenn beide auch das Wohl des jeweils anderen und seine Ziele im Sinn haben. Das kann auf der einen Seite Frieden unter den Menschen sein oder eben unternehmerischer Gewinn. Und das gefällt mir.
Petra Schächtele: Ist der neue Verhandler also immer entspannt und frei von negativen Emotionen?
Christoph Krüger: Dazu hat Frederik Vester bereits in den 1970er Jahren in seinem Buch »Phänomen Stress« geschrieben, Profi sei nicht, wer frei sei von jeglicher Anspannung. Ein gewisser »sense of urgency«, ein Gespür für Dringlichkeit, sei durchaus hilfreich. Den Profi macht danach aus, dass er um seine Anfälligkeit für Anspannung weiß. Aber er kann damit umgehen.
Petra Schächtele ist Expertin für die elegante Schlagfertigkeit (www.mindspots.de) in Stuttgart und Mitglied der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB), Köln. |
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»Das neue Verhandeln« - Die Buchankündigung finden Sie hier.