Marc Bielefeld
Den Wind im Gepäck
KEN. Marc Bielefeld hat Recht: Wir können tatsächlich mit weit weniger auskommen als uns der neongrelle Markt tagtäglich in mehrfach überlagernden Schichten einredet. Das einfache Leben auf einem alten Segelboot bringt den Autoren intensiv mit sich selbst in Kontakt und schärft seinen kritischen Blick für das, was – wie der Wind – sonst nur so an uns vorbeirauscht.
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Marc Bielefeld lässt uns an dem Prozess teilnehmen, im Lauf dessen er sich immer weiter auf seine Lion Class zurückgezogen hat. Für ihn ist es die schönste Lebensform der Welt, dass er die meiste Zeit des Jahres als Journalist und Autor auf der Phu’Rieng von 1964 verbringt. Sie ist damit nur zwei Jahre älter als er selbst.
Jenseits der Welt des Konsums
Zunächst ist für den gebürtigen Genfer die Wohnung in Hamburg noch eine Alternative, aber auch davon verabschiedet er sich schließlich. Entlang seiner Routen findet er genügend Gleichgesinnte, die ihm so etwas wie eine Heimat bieten: wandernde Schiffsbauer, Katamaran-Segler auf einer Weltumrundung, bekennende Aussteiger, Forscher und Erfinder. Immer mehr Frauen und Männer tragen auf Weltreisen ihr »Home Office« bei sich. Paare bereisen auf einfachen Booten die Küsten aller Kontinente und unterrichten ihre schulpflichtigen Kinder an Bord.
Dabei ist das Leben auf dem Teakholzboot kein Zuckerschlecken. Jedenfalls nicht immer. Marc Bielefeld bringt uns die Gemeinschaft näher, die er mit seinem Boot eingegangen ist, auch die Sorgen, wenn die Phu’Rieng in stürmisches Gewässer gelangt.
Marc Bielefeld wälzt Buchstaben und Worte, formt sie zu schönen Texten, in denen wir den Wind und die Wellen noch wahrnehmen können. Mit manchmal fünf, sechs oder sieben Knoten schippert er durch die Nord- und Ostsee und stellt irgendwann fest, dass er schon jahrelang ohne Kühlschrank auskommt und die meiste Zeit das Meer als Bad und Toilette nutzt.
Das alles ist keine Spinnerei, mit der er sich den Pflichten eines regulären Arbeitstags entzieht. Über eine Million Zeichen in neun Monaten zu schreiben, von welchem Ort der Welt auch immer, Abgabetermine einzuhalten, Rechnungen zu mailen und irgendwann die Steuererklärung abgeben zu müssen, ist auch von einem 35 Fuß (knapp 10 Meter) langen Segelboot aus eine Herausforderung. Marc Bielefeld lernt auf seinen Reisen immer mehr Leute kennen, die ohne feste Adresse ein ganz normales Leben führen.
Marc Bielefeld schöpft bei aller Konsum- und Sozialkritik die Möglichkeiten des mobilen Lebens aus. »Den Wind im Gepäck« bietet eine Menge Anregungen, das eigene Dasein einfacher zu gestalten und die ganz alltäglichen Dinge wertzuschätzen. Er lernt dazu von den genügsamen Fischern und Hafenmeistern entlang seiner Routen, von den Handwerksgesellen auf Wanderschaft. Er findet sogar einen einfachen Eimer, der ihm schon mehrere Jahre lang dient, eine spannende Geschichte wert.
Mit »Den Wind im Gepäck« reisen wir eine Weile im genügsamen Tempo auf der Phu’Rieng mit und dürfen dabei auch über unsere eigene Nachhaltigkeit nachdenken. Marc Bielefeld sieht sich keineswegs als klassischer Aussteiger. Er nimmt sich Zeit für das, was ihm als das Wesentliche erscheint.
Für mich wäre etwas anderes wesentlich, aber gerne nehme ich die Einladung an, diese Dinge zu erkennen, sie von Herzen zu begrüßen und jedes Angebot darüber hinaus nach seiner wirklichen Notwendigkeit einzuschätzen. Mit »Den Wind im Gepäck« reisen wir mit über das Meer, andererseits aber auch nach innen, ohne deswegen seekrank werden zu müssen. Marc Bielefeld macht Lust auf Entschleunigung und Genügsamkeit.