David Lagercrantz
Der Mann aus dem Schatten
KEN. Nicht schon wieder ein genialer Sherlock, der erst mal auf einer Psychocouch durchgewalkt werden müsste! Nee, echt jetzt: Braucht der »Lager« sowas in »Der Mann aus dem Schatten«, nachdem er Stig Larssons »Millenium-Trilogie« historisch wertvoll verdoppelt hat?
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David Lagercrantz verkauft uns Hans Rekke als »genialen« Psychologie-Professor: Kohle ohne Ende, Frau und Tochter so schön wie die Nacht in Blond, ansonsten vollgedröhnt mit allem, was die Hausapotheke hergibt, plus Haushälterin, die ihn als Dottoressa Watson pampert wie ihre eigene, frisch geborene Leibesfrucht.
Der Professor und die Polizistin
Daneben rund um Stockholm die immer wieder geschasste Micaela Da Vargas, eine für Schweden zu kurz geratene Ermittlerin mit Wurstfingern und Herkunft Südamerika. Die tut es dann auch als Babysitterin für den Prof ein Zimmer weiter in dessen Nobelherberge, weil er die Ehe schon zu sehr geschüttelt und zerrührt hat.
Ich war genervt von wieder einem Helden, der seine (Helden-) Reise abkürzt, indem er gleich von ganz unten anfängt und kurz darauf in Serie detektivisch schnüffeln soll.
Gibt es wenigstens etwas zu lernen? Ja. Für üble Islamisten darf nichts auf dem Niveau klingen wie der Name dessen, für den schon der Prophet das Schwert geschwungen hat und seine Nachfahren Kopfschüsse setzen. Musik ist demnach des Teufels, erst recht, wenn bezaubernd gespielt von einer ebensolchen Frau, auch wenn diese stressbedingt arg knochig ist und die Nase selbstbewusst gegen die Männerwelt hochträgt.
Fußball für Jungs geht im Vergleich dazu gerade noch – sofern die Kicker nicht gleichzeitig talentiert geigen oder den Taktstock schwingen.
Dass es in Afghanistan leidenschaftliche Musiker gibt, sieht der Koran so wenig vor wie legendäre Instrumente aus italienischer Produktion, mit denen Klassikstipendiaten an Konservatorien des »Bruderstaates« in Moskau geladen werden. In dem Umfeld wird ein Fußballer mit musikalischem Talent von der Geige zur Bratsche und damit in die zweite Reihe degradiert. Ich bin Laie mit maximal Blockflöte und finde diesen Schmerzpunkt für professionelle Musiker von David Lagercrantz überraschend und gut erklärt.
Jedenfalls passiert ein Mord. Der Schiedsrichter der Fußballjugend wird nach einem Spiel im Stockholmer Problemviertel Husby mit einem Stein erschlagen. Der Fußballtrainer des Verliererteams, Giuseppe Costa, ist verdächtig. Schließlich sieht er bekanntermaßen schnell Rot und das nicht nur bei Karten für einen Platzverweis seiner Spieler. Aber würde er deshalb einen Schiedsrichter ins finale Koma schicken?
Micaela Da Vargas kennt den Coach und zweifelt an seiner Täterschaft. Offenbar ist Giuseppe Costa nur der willkommene Abschluss des Falles für ihre Vorgesetzten, die mehr zu verbergen haben als der ermordete Schiedsrichter.
Ich sag mal so: Auf David Lagercrantz Freischwimmer nach all dem Trubel rund um die Fortsetzung der »Millenium-Trilogie« hatte ich mich gefreut. Er kann echt was an den QWERTZ-Tasten.
Dass er seine neue Heldin als Pflegerin aus Chile für einen tablettensüchtigen Professor ins Rennen schickt, finde ich im Vergleich zu unseren TV-Ermittlern sogar phantasievoll: Jede/jeder »Kommi« hat eine Macke und startet ganz unten. Tabletten kommen bisher weniger vor.
David Lagercrantz haut das ein wenig dadurch heraus, dass er bis zu den Fingerspitzen des ermordeten Schiedsrichters Fragen stellt. Denn ob jemand ein Musiker ist, und das mit einer Geige oder einer Bratsche, offenbaren bereits seine Kuppen. Wie diese feinen Spuren dann in den Fall hineingehören, dafür braucht es ein paar lichte Momente von Sherlock dem Neuen, Hans Rekke.
Mal schauen, ob er seinen nächsten Fall genauso schlau mit weniger Psychopharmaka schafft. Ihn wegen seiner Sucht am fiktiven Leben zu erhalten, macht all seine Leser mitschuldig daran, dass er weiter die Pille nimmt.